Montag, Dezember 02, 2019

Wie groß ist die Welt

Größe des Universums

Die Welt ist groß, aber wie groß die Welt für die Wissenschaft ist, unterliegt einem Wandel. Und der kennt nur eine Richtung: Größer als bisher gedacht.

Flammarions Holzstich – erstmals erschienen in L’atmosphère, Paris 1888

Auf das Wachstum unserer Welt will ich hier etwas genauer eingehen.

Am Anfang war die Welt klein

In den Mythen der Menschheit ist die Welt klein. Sie ist eine Scheibe, über die der Himmel gespannt ist. Darüber Wasser, das bei Regen herabfällt, darunter vielleicht die Hölle. Dazwischen noch Sonne Mond und Sterne, so wie man die Welt mit seinen Sinnen eben beobachten kann.

Das geozentrische Weltbild des Altertums

Bereits im alten Griechenland gab es erste Ideen, dass die Erde um die Sonne kreist und die Idee, dass man den Abstand der Sonne messen kann, Aristarchos von Samos ermittelte im Jahre 200 v. Chr. den Abstand und fand, dass dieser 20-mal größer als der Mondabstand ist. Die Welt war damit viel größer als die Erde, deren Radius bereits Eratosthenes zur gleichen Zeit mit etwa 10% Genauigkeit bestimmt hatte.


Aristarchos von Samos 200 v.Chr : 

Die Sonne ist 20 mal weiter weg als der Mond.

Kopernikus übernahm die alte Idee, dass die Sonne im Mittelpunkt steht und entfernte damit die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt, was im Christentum nicht besonders gut aufgenommen wurde. Da es sich aber nur um eine Hypothese handelte konnte man damit leben.


1596, Mysterium cosmographicum: Die Abstände der Planeten verhalten sich wie die Durchmesser der Platonischen Körper
Kepler versuchte jetzt die Bahnen der Planeten um die Sonne zu verstehen und fand, dass sich die Abstände der Planeten nach einer eigenartigen himmlischen Ordnung beschreiben lassen. Wenn zwischen den Sphären der Planeten jeweils die Platonischen Körper liegen, erhält man tatsächlich die Planetenabstände mit geringfügigen Fehlern.

Genauigkeit der Rechnung (rechte Spalte) ist erstaunlich. Quelle: Kepler's Geometrical Cosmologyvon J. V. Field, S. 161

Der Erste, der darüber hinaus dachte war wohl Giordano Bruno (*1548), der für die Idee, dass das Weltall unendlich ist 1600 n. Chr. in Rom als Ketzer verbrannt wurde.
Giordano Bruno

Zwischenstand unser Sonnensystem 1836

Inzwischen hat Newton für Keplers Planetenbahnen eine wissenschaftliche Begründung gefunden, die Abstände der Planeten blieben ein Rätsel, an dem sich noch viele versuchten.

Unser Sonnensystem endete beim äußersten bekannten Planeten Uranus, der am 13. März 1781 von Wilhelm Herschel entdeckt wurde. Dahinter kam die Himmelskugel mit den Sternen, die bis 1836 nicht eindeutig als Sonnen identifiziert werden konnten, da es keine messbare Parallaxe (Verschiebung der Sternposition aufgrund der Erdbahn) der Sterne gab. 1838 hat Friedrich Bessel den ersten zuverlässigen Wert für eine Parallaxe bestimmt und damit gezeigt, dass das Weltall wesentlich größer ist. Der Nächstgelegene Stern liegt bereits 4 Lichtjahre weg, das ist etwa 10.000-mal weiter als das Sonnensystem groß ist.

Das Weltall was damit auf eine Größe von 100.000 Lichtjahren angewachsen, da die Sterne der Milchstraße als solche erkannt wurden und damit die Größe der Milchstraße abgeschätzt werden konnte. Das Universum war bis 1920 unsere Milchstraße, da die Nebel, die wir heute als Galaxien erkennen noch nicht als solche erkannt wurden. Erst Erwin Hubble konnte eindeutig mit dem Mount Wilson Observatorium 1923 nachweisen, dass viele sogenannte Nebel aus einzelnen Sternen bestehen und damit in Wirklichkeit Galaxien sind. Damit war das Weltall wieder um einige Zehnerpotenzen gewachsen.

Der belgische Priester Georges Lemaître postulierte im Juni 1927 die Expansion des Weltalls aufgrund der gemessenen Rotverschiebung und daraus lässt sich, je nach Interpretation der Relativitätstheorie die Ausdehnung des Weltalls und damit der Urknall abschätzen. Aktuell wird das Alter des uns bekannten Universums auf 13,8 Mrd. Jahre bestimmt. Die entferntesten Objekte, die wir heute beobachten können, sind etwa 44 Mrd. Lichtjahre weg. Die Große Entfernung beruht auf der kontinuierlichen Ausdehnung, genauer der Bildung weiteren Raums zwischen uns und den entfernten Objekten.


Die Grenze des für uns sichtbaren Universums liegt ca. 44 Mrd. Jahre weit weg.
Bild der Hintergrundstrahlung,

An dieser Stelle sollte ein merkwürdiger Zusammenhang erwähnt werden. Wenn man die Masse des Universums nimmt und nach der Formel für den Schwarzschildradius ein Schwarzes Loch berechnet (R = 2 G m / c²) dann erhält man genau die Größe unseres Universums. Der Zusammenhang ergibt sich auch logisch, denn in diesem Fall hebt sich die Energie des Universums gerade auf, was letztendlich bedeutet, der Urknall ist ein energetisch neutrales Ereignis.

Multiversen

Wir sehen zwar den scheinbaren "Rand" des Universums, aber das liegt daran, dass wir natürlich nicht Licht empfangen können, das "älter" als das Universum, 13,8 Mrd. Jahre, ist sehen können. Die Situation wird auch immer schlechter, da durch die Ausdehnung des Universums mit Überlichtgeschwindigkeit immer mehr Objekte hinter dem Horizont verschwinden. Das ist etwas ähnlich, wie wenn man mit einem Ballon langsam zur Erde herabsinkt, der Horizont kommt immer näher, man sieht immer weniger weit. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass es hinter dem Horizont nicht mehr weiter geht. 
Hinter dem Horizont geht es weiter!
Analog bedeutet das, dass das Universum vermutlich viel größer ist als das sichtbare Universum. Bestimmt man die Raumkrümmung, genaugenommen die Genauigkeit, mit der unser Universum flach erscheint, dann sollte das Universum mindestens 10E40 mal größer sein.

Weitere Universen

Neben der extremen Größe unseres Universums, das im Urknall entstand, kann man aber auch noch weiter spekulieren. Unser Universum hat einige sehr merkwürdige Eigenschaften, die merkwürdigste unter allen ist die Existenz von Leben und sogar von selbst beobachtenden Menschen.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein Universum derartig komplexe Strukturen hervorbringt. Dazu sind neben Sonnen und Planeten viele verschiedene chemische Elemente nötig. Um das alles zu erhalten müssen die 32 Naturkonstanten, die Unser Universum beschreiben, in einem sehr engen Bereich passen. Nimmt man als vorsichtige Hypothese, dass jede Naturkonstante bis auf ein Promille genau getroffen werden muss, so muss es mindestens 1000 hoch 32 (10E96) Universen geben.

Man vergleiche das mit Sonnensystemen, die ein passendes Planetensystem haben, auch dafür muss man sehr viele Sonnensysteme haben, bis ein Set Planeten so lebensfreundlich ist, dass es zu einer technischen Zivilisation kommt.

Visualisierung von Multiversen nach Max Tegmark [1]

Vielweltentheorie

Ein weiterer Ansatz, der die Zahl der Universen explodieren lässt, ist die Vielwelten Interpretation der Quantenmechanik (QM) durch Hugh Everett III. Der Physiker Everett hat den merkwürdigen quantenmechanischen Messvorgang, bekannt durch das Experiment mit der Schrödinger Katze, 1957 neu interpretiert. Er sagt, die Katze lebt und ist tot, aber jeweils in einem anderen Universum. In welchem der Universen wir leben, merkt man erst nach dem Öffnen der Kiste.
Die Schrödinger Katze lebt in einem Universum, im anderen ist sie tot.

Zu dieser Problematik sollte man sich nochmals erinnern, dass die Gleichungen der QM mathematisch perfekt unsere Physik beschreiben, zumindest sind alle Messungen, auch solche mit absurder Präzision, immer im Sinne der QM ausgegangen. Trotzdem gibt es bisher keine plausible Erklärung, was eigentlich bei einer Messung geschieht, da die QM das "Phänomen" Messung nicht kennt.

Eine Konsequenz der Vielweltentheorie ist, dass auch jeder Mensch in fast unendlicher Ausführung existiert, verteilt auf die vielen Universen, auf die wir uns im Lauf des Lebens abgespalten haben.Wem das jetzt völlig absurd erscheint, der sollte bedenken, dass wir gerade dabei sind, technisch die anderen Universen für unsere Rechnungen zu nutzen, Stichwort Quantencomputer.

Der Erfinder des Quantencomputers, David Deutsch, beschreibt das in seinem Buch Physik der Welterkenntnis:

Quantencomputer, die jetzt noch in ihren Kinderschuhen stecken, stellen einen weiteren Fortschritt dar. Sie sind das erste technische Hilfsmittel, das es ermöglicht, parallele Universen zur Verrichtung nützlicher Aufgaben zusammenzuarbeiten zu lassen. (Quelle: [2])

Denkfehler die gegen Multiversen sprechen 


Der Gedanke an Multiversen stört fast jeden, das liegt an drei Denkfehlern nach Tegmark [1]:
  1. Omnivision Annahme: Die physikalische Realität muss so sein, dass mindestens ein Beobachter grundsätzlich alles beobachten kann. 
  1. Pädagogische Realitätsannahme: Die physikalische Realität muss so sein, dass alle vernünftig informierten menschlichen Beobachter das Gefühl haben, sie intuitiv zu verstehen.
  1. Keine Kopie: Kein physikalischer Prozess kann Beobachter kopieren oder subjektiv nicht unterscheidbare Beobachter schaffen.
Wir haben als Kinder gelernt, dass wir alles sehen können und was wir nicht sehen ist versteckt. Mit dieser Intuition, dass die physikalische Realität uns immer die Beobachtung erlaubt kann man natürlich in der modernen Wissenschaft nicht immer arbeiten. Bereits der Erdkern, den noch nie jemand gesehen hat, entzieht sich unserer Beobachtung, obwohl er nur 5000 km weit von uns entfernt ist.

Den Erdkern können wir nicht sehen, aber plausibel verstehen.

Die Physik kann uns mit mathematischen Mitteln viele Extrapolationen liefern, die unserem Wunsch nach Omnivision nicht entsprechen.

Spätestens seit der erfolgreichen Relativitätstheorie von Albert Einstein haben wir gelernt, dass die Intuition, etwa beim Zeitablauf, nicht trägt. Wir können uns nicht vorstellen, dass in einer Rakete die Zeit langsamer abläuft, wir können aber sehr wohl den Effekt exakt messen. In der Quantenmechanik wird unser Bauchgefühl noch erheblich stärker in die Irre geführt, so dass selbst Einstein den Vorhersagen der Quantenmechanik nicht traute. Aber alle diese Vorhersagen der QM wurden brillant experimentell bestätigt.

Wer möchte schon gern sein eigener Klon sein. Eine Ethikkommission kann zwar das Klonen von Menschen verbieten, aber die Naturgesetze halten sich nicht an die Wünsche unseres Verstands. Wir werden permanent in andere Universen hinein geklont, ohne dass wir dazu etwas dazu tun können.

Mathematische Universen

Wem die Anzahl der Universen noch nicht genügt, der kann Max Tegmark weiter folgen und lernen, dass jede mathematische Struktur selbst die Quelle von Universen ist. In seinem Buch [1] beschreibt er, wie man mathematische Strukturen abzählbar aufstellen kann und damit fast unendlich viele mathematische Systeme erhält, nicht jedes System kennt etwa den Kreis, und daraus jeweils vielfältige Universen erzeugt.

Mit diesen vielen Universen hoffe ich zum Nachdenken angeregt zu haben.

Ähnliche Überlegungen in anderen Blogbeiträgen:

Quellen:

[1] Max Tegmark: Our Mathematical Universe, 2015
[2] David Deutsch: Physik der Welterkenntnis, 1996