Sonntag, Oktober 06, 2013

Innovationen in der Zukunft

Innovationen die in der Zukunft liegen

Es gibt Erfindungen (engl. invention) und es gibt Innovationen. Eine Erfindung wird zur Innovation, wenn sie sich am Markt durchsetzt. So wurde das Auto von Carl Benz 1885 erfunden, aber es hat eine Generation gedauert, bis daraus durch Henry Ford eine Innovation wurde. Erst Henry Ford hat so viele Autos gebaut und verkauft, dass unser Leben durch das Auto grundlegend verändert wurde.
Es gibt offensichtlich auch Erfindungen, die bis heute auf den Tag warten, wo sie unser Leben verändern. Häufig hört man von den Unterstützern, der Technik xyz gehört die Zukunft. Ich will das mal an einigen Beispielen betrachten, die immer wieder durch die Medien geistern.

Die Kernfusion 

Mit der Erklärung der Energiefreisetzung in der Sonne durch Bethe und Weizäcker im Jahr 1938 war klar, dass man im Prinzip durch Kernfusion von Wasserstoffkernen extrem viel Energie gewinnen kann. In den 1950er-Jahren begann daher ein Wettlauf um den Bau des ersten Fusionsreaktors. Zunächst waren die Wissenschaftler sehr optimistisch und man sprach von zwei Jahren Entwicklungszeit. Als auch nach zehn Jahren kein Erfolg zu verbuchen war, legte man den Durchbruch in die Zukunft und sprach von 20 Jahren. Als ich Anfang der 1980er-Jahre am Institut für Plasmaphysik in Garching bei München gearbeitet hatte, lag der "geplante" Durchbruch bei der Kernfusion 30 Jahre in der Zukunft. Im Jahr 2013 wird von Frau Professor Sybille Günter, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, darauf hingewiesen, dass im Jahr 2100 etwa 10% der Energieversorgung aus Kernfusion stammen werden.
Fusionsforschung in Garching bei München, bei der ich 1984 ein Praktikum gemacht habe. Bildquelle: Wikipedia
Offensichtlich ist es mit der Heute zur Verfügung stehen Technik nicht möglich, eine kontrollierte Kernfusion dauerhaft und gewinnbringend zu erzeugen. Es fehlen grundlegende Voraussetzungen, um mit der vor über 50 Jahren geborenen Idee eines Torus-Reaktors, ein Plasma lange genug einzuschließen, dabei mehrere Gigawatt durch die Wand zu transportieren und dabei die Wand nicht zu zerstören. 
Unabhängig von den technischen Details sehen wir eine Erfindung, die es nicht zur Innovation gebracht hat.

Das Wasserstoffzeitalter

Zufällig kann man mit den Atomen des Wasserstoffs eine weitere futuristische Welt denken. Zuerst aber nochmals eine Klarstellung, die möglicherweise zu großer Verwirrung in der Öffentlichkeit geführt hat. Wasser besteht aus H2O, also aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Aufgrund der sehr guten Verfügbarkeit von Wasser liegt es nahe, Wasser elektrolytisch zu zersetzen und den Wasserstoff zu speichern. Benötigt man die Energie wieder, kann man den Prozess umkehren, der Wasserstoff wird mit dem allgegenwärtigen Sauerstoff zusammengeführt und dabei in der Brennstoffzelle wieder Energie freigesetzt. 
Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Energiespeicher
So schlicht die Idee ist, so schwer ist es den Prozess wirklich ökonomisch zu beherrschen. Zum einen verliert man bei der Elektrolyse Energie, eine weiterer Verlust entsteht in der Brennstoffzelle. Damit verliert man bei heutiger Technik etwa 50% der Energie. 
Das zweite Problem ist, dass man Wasserstoff sehr schlecht aufbewahren kann. Unter hohem Druck ist er nicht nur gefährlich, sondern er neigt auch durch Metall zu diffundieren. Stark abgekühlt, auf -252°C wird er flüssig, allerdings gibt es keine Isolation, die den flüssigen Wasserstoff über viele Tage verlustfrei flüssig hält. Der Wasserstoff verdampft und muss dann "nutzlos" verbrannt werden.
Obwohl beide Probleme, Wirkungsgrad und Aufbewahrung, für Sonderfälle wie Weltraumfahrt, keine Rolle spielen, sind diese Probleme Showstopper in der Praxis, die es verhindern, dass Wasserstoff in ernsthafte Konkurrenz zu anderen Energiespeichern steht.
Ähnlich wie bei der Kernfusion sind enorme Mittel in die Erforschung von Wasserstofftechnik geflossen, einen Durchbruch gab es nicht und das Wasserstoffzeitalter liegt weiter in der Zukunft.

Das Elektroauto

Der dritte Geist trägt den Namen Elektroauto. Auch das Elektroauto wurde bereits 1888 von Andreas Flocken erfunden. Und um 1900 war die Zahl der Elektroautos sogar größer als die der Benzinautos. 
"Der Feind des Guten ist das Bessere"
Das Benzinauto ist durch die Integration einer Batterie für den Motorstart genauso bequem zu starten als ein Elektroauto. Mit der Revolution des Ölzeitalters, dem Auffinden scheinbar unerschöpflicher Ölquellen in den USA und an anderen Orten, war der Preis für Benzin sehr rasch gesunken, sodass das Elektroauto seither ein absolutes Nischendasein fristet.
Das grundlegende Problem ist nicht der Motor, auch nicht die Motorsteuerung, an der ich zufällig mit meiner ersten Diplomarbeit beteiligt war. Ich hatte innerhalb von Siemens Mitte der 1980er-Jahre an der Entwicklung eines MOS-GTO mitgewirkt, der für das Steuern eines Elektroautos gedacht war. Der MOS-GTO funktionierte, aber der Markt für Elektroautos kam auch nach weiteren zwanzig Jahren des Wartens nicht. 
Das Kernproblem des Elektroautos ist die Batterie! Solange es nicht gelingt, eine Batterie mit einer Kapazität von 100kWh, einem Gewicht von 300kg und einem Preis unter 10.000€ herzustellen, so lange wird es keinen Durchbruch für das Elektroauto geben.
Aber das könnte bald gelingen, wie im folgenden, ausgezeichneten Vortrag von Lars Thomsen klar wird:

Wenn Erfindungen stecken bleiben

Offensichtlich gibt es viele Erfindungen, deren Zeit noch nicht gekommen ist, oder deren Zeit vielleicht nie kommen wird. Das gedankliche Problem ist dabei immer ähnlich. Es wird aufgrund einer überschaubar komplexen Idee eine grundlegende Lösung für ein Problem vorgeschlagen:
  • Kernfusion - Energieversorgung
  • Wasserstoffzeitalter - Energiespeicher
  • Elektroauto - Personentransport
Jede der Lösungen hat aber ein unüberwindbares Problem bei der Umsetzung. Dabei hilft es offensichtlich auch nicht einfach sehr viel Geld in die konkrete Forschung zu stecken. Grundlegende Probleme müssen durch "Basisinnovationen" gelöst werden, die oft ganz anders aussehen als zunächst gedacht.
Hier nochmals die Beispiele:
  • Kernfusion - Solarzellen zapfen die Energie des Fusionsreaktors Sonne an!
  • Wasserstoffzeitalter - vermutlich sind andere Speicher wie Lithium-Akkus besser
  • Elektroauto - aus Strom erzeugtes Methan könnte Autos antreiben
Aus diesen Beobachtungen bleibt die Erkenntnis, dass es gerade für den Staat besser ist, viele Ressourcen in die Grundlagenforschung zu stecken, da dies oft Lösungen für andere Probleme, die offen sind, ergibt. Das Zwanghafte festhalten an einem Forschungsziel, Fusionsreaktor, kann zu enormen Kosten führen und zu einem "Lock in" Prozess, da man bereits so viel Geld ausgegeben hat traut sich keiner das Projekt mehr zu stoppen.
Eine Tragik menschlichen Handelns.

Zum Weiterlesen:

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"aus Strom erzeugtes Methan könnte Autos antreiben"

Innovation in der Energiewirtschaft heißt vor allem: Effizienz! die Methanisierung über Elektrolyse hat einen Wirkungsgrad von ca. 60-70%, in altmodischen Verbrennungsmotoren wird das Methan mit 15% Wirkungsgrad zur reellen Fahrleistung verheizt. Macht 0,65*0,15 = ca. 10% Wirkungsgrad Well-to-Wheel für diese Umwandlung! Das Elektroauto steht kurz vor dem Durchbruch, siehe Tesla Model S!

Eduard Heindl hat gesagt…

@Anonym
Es ist richtig, dass aktuell (künstliches) Methan kein ökonomischer Treibstoff ist. Ich wollte nur zeigen, dass es möglicherweise ganz andere Lösungen gibt, als man zuerst denkt!

Jürgen Vagt hat gesagt…

Onlinekurs: Elektrofahrzeuge im Shuttledienst

Hallo,

ich wollte mal hier mich und meine Arbeit vorstellen. Ich blogge ja über Elektroautos http://elektroautovergleich.org/ und wollte mal meine Arbeit darstellen und daher gibt es Rabattcoupons für meinen Kurs:

https://www.udemy.com/elektroautos-in-den-fuhrpark-von-shuttlediensten/

Viele Grüße

Jürgen Vagt