Dienstag, März 31, 2020

Corona, das Drama der Zahlen

Corona und die Zahlen

Seit Ende Januar 2020 beobachte ich die Zahlen der Corona-Ausbreitung und leider seit einigen Wochen auch die vielen Todesfälle. Als Physiker habe ich gelernt aus Zahlen Zusammenhänge herauszulesen und so entstand eine interessante Modellrechnung. Leider kann aber so ein Modell nur so gut arbeiten, wie die Datengrundlage ist, auf die ich heute etwas näher eingehe.


Echtzeitinformationen aus verschiedenen Quellen (Site aus Südkorea)

Wo gibt es Daten?

Wenn man die Websites der einschlägigen Zeitungen, ob FAZ, Zeit, New York Times oder Tagesspiegel online aufruft, immer findet man verschiedenste Zahlen zur Ausbreitung. Doch worauf basieren diese? Als Quelle wird oft die Johns Hopkins University angegeben und in Deutschland das Robert Koch-Institutes (RKI). Doch keiner der beiden erhebt die primären Daten, in Deutschland sammeln die Gesundheitsämter die Daten und geben sie weiter.

Wir brauchen möglichst zeitnah Daten, damit die Politik, und auch jeder für sich, die richtigen Entscheidungen treffen kann. Normalerweise arbeiten viele mit Quartalszahlen, aber das ist in einer Situation in der sich die Zahlen oft um 30% pro Tag ändern, völlig sinnlos.
Seit etwa einer Woche gibt das RKI immer die Daten, mit Stichpunkt Mitternacht, um ca. 10 Uhr vormittags bekannt. Diese Zahlen verfolge ich bevorzugt und dachte immer, es wäre einfach, im Wesentlichen zwei Zahlen, neu erkannte Fälle und Todesfälle, nach Berlin zu übermitteln. Leider lese ich dann auf der Website Informationen wie:

*Am 28.3.2020 wurden keine Daten aus Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland übermittelt.(Website RKI)
Probleme aus andere Bundesländer, wie NRW, Sachsen-Anhalt usw., wurden auch schon gemeldet.

Veränderung der Todesfälle (Daten: RKI). Der Trend sah positiv aus,
aber die Ursache am 28. und 29. März waren Übermittlungsfehler!

Grafisch dargestellt sieht man das Problem: Scheinbar fällt am 29.3 das Wachstum schon fast auf 10% (Was sehr gut wäre) um dann am 30.3 wieder Richtung 30% zu deuten, was schauerlich ist.

Was zunächst nach einer lässlichen Verfehlung klingt, verursacht einen Sachschaden von mehreren Milliarden Euro! Wie das?

Nehmen wir mal an, die Entscheidung für das Ende des Shut-Down in Deutschland verzögert sich um einen Tag, weil man nicht sicher war, ob es wirklich einen signifikanten Rückgang der Infektionen gab, mangels valider Daten. Ein Tag Shut-Down dürfte in einem Land mit einem Bruttosozialprodukt von 4000 Mrd. € pro Jahr oder 20 Mrd. € pro Werktag mindestens 10 Mrd. € kosten!

Und hier wird nicht eingegriffen, wenn der Mitarbeiter in Stuttgart oder Düsseldorf gerade keine Lust hat zwei Zahlen einzutippen? Niemand frägt nach oder ruft an! Nein, wir sind nicht am Tag 1 der Coronakrise, seit über einem Monat haben wir ein ernstes Problem.

Ich habe noch nie erlebt, dass derart fahrlässig mit dem Geld unserer Volkswirtschaft umgegangen wurde.


Wo stehen wir?

Ich versuche diese Daten vom RKI jeden Tag zu nehmen und in meine Rechnung einzubinden. Inzwischen greife ich manchmal auf plausiblere Daten anderer Quellen zu, etwa Worldometer, die immerhin ihre Quellen verlinken.

Entwicklung der Fallzahlen und Prognose.
Die Zahl der gemeldeten Infektionen und der Todesfälle liegen weiterhin genau auf den Kurven meines Rechenmodells.
Neu ist, dass ich zwei Varianten für die weitere Entwicklung der Todesfälle auftrage. Ein "worst case" bei dem 90% der Patienten, die keine Versorgung in der Intensivstation bekommen versterben, obere gestrichelte graue Linie und den optimistischen Fall, dass doch nur 30% dieser Patienten versterben, durchgezogene, graue Linie (Achtung: log. Skala).
Das Modell berücksichtigt bereits die Maßnahmen in Deutschland, was sich insbesondere darin zeigt, dass die Zahl der Neuinfektionen seit einer Woche deutlich weniger stark zunehmen (Rote Quadrate, tatsächliche Fallzahlen und gestrichelte Linie, Prognose des Modells)

Flatten the Curve

All die aktuellen Maßnahmen sollen dazu dienen, die Kliniken nicht zu überlasten, auch wenn sie nicht genügen, damit die Kliniken nicht überlastet werden, aber sie dämpfen die Entwicklung erheblich und vermeiden damit viele Todesfälle! Doch wie geht das weiter?

Eine kleine Abschätzung:

In Deutschland leben 80 Mio. Menschen, von denen vermutlich längerfristig 60 Millionen infiziert werden. Davon müssen 2,5% über 14 Tage lang beatmet werden, zumeist ältere Mitbürger.
In der Summe sind das 1,5 Mio. Menschen. Verteilt man das gleichmäßig auf die 10.000 Intensivbetten, braucht es sechs Jahre kontinuierlicher Versorgung oder mit anderen Worten 6 Jahre völligen Shut-Down. Dass das Unrealistisch ist, sollte jedem klar sein. 
Okay, als Erleichterung kommt vielleicht in einem Jahr ein Impfstoff, so sind die 6 Jahre nur Theorie, unklar ist aber, welches Kriterium angewendet werden soll, all die eingeleiteten Einschränkungen wieder aufzuheben. Man ist praktisch sofort wieder bei einer völligen Überlastung der Kliniken.

Ich wünsche mir, dass man genauer nach Südkorea oder Taiwan schaut und auch Alternativen, wie Handy-Ortung und Mundschutz, als wichtige Maßnahme zu ergreift.

Nützliche Quellen zum Weiterlesen

Weitere Quellen auf meinen anderen Posts "Corona Update"

2 Kommentare:

aho hat gesagt…

Ich habe folgende Frage: gibt es nicht auch andere Parametersets, mit denen die bisherigen Fallzahlen ähnlich gut angefittet werden können? Also z. B. eine Kombination von höheren Dunkelziffern und niedrigeren Komplikations- bzw. Todesraten? Es könnte ja auch sein, dass die höheren Fallzahlen ganz wesentlich von den (exponentiell steigenden) Zahlen an durchgeführten Tests dominiert werden?
Ausserdem scheint mir zunehmend offensichtlich, dass in den Statistiken die Anzahl der positiven Testergebnisse dargestellt sind und nicht unbedingt die Anzahl der tatsächlich Infizierten. Lt. RKI-Bericht vom 26.3. hat sich die Zahl der Tests in etwa proportional zur Zahl der Positiven Testergebnisse erhöht! Ca. 6-7% der Testergebisse fallen positiv aus. Falls die Tests eine Selektivität von 97% haben (das ist meine Schätzung, ohne nähere Kenntnis der tatsächlichen Selektivität), dann wären ca. 50% der "Infizierten" "falsch-positive" Ergebnisse? Sehen Sie die Möglichkeit, dies ggf. in die Simulation aufzunehmen?

Eduard Heindl hat gesagt…

aho Es geht bei dem Modell nicht um ein einfaches "Anfitten" sondern es wird simuliert, wie unter bestimmten Annahmen, aus Infizierten positiv getestete werden und aus einigen davon Klinikfälle und davon einige versterben. Letztendlich sind die Todeszahlen ohne große Dunkelziffer. Mehr im Blogbeitrag https://heindl.blogspot.com/2020/03/2-corona-update.html