Dienstag, April 07, 2020

Corona der Wendepunkt

Coronakrise: Auf der Suche nach dem Wendepunkt 

Vor langer Zeit hat jeder in der Schule den Begriff des Wendepunkts kennengelernt, das war irgendwas in Mathematik. Der Wendepunkt ist der Zeitpunkt, an dem das exponentielle Wachstum in einen Rückgang übergeht. Ab diesen Zeitpunkt ist die Gefahr gebannt, wenn auch noch nicht vorüber. Haben wir diesen Punkt schon erreicht?

Wo ist der Wendepunkt? 

Bei der Coronainfektion wächst, wie bei jeder Infektionsausbreitung, zunächst die Zahl der neu Infizierten exponentiell. Das bedeutet, dass im Verhältnis zu den bereits Infizierten ein fester Prozentsatz pro Tag hinzukommt. Aus 1000 Infizierte am ersten Tag werden, bei 30% Wachstum am Tag, 1300 Infizierte am zweiten Tag und am nächsten Tag werden die 30% auf die 1300 Infizierten gerechnet, also kommen weitere 390 Infizierte dazu. Am dritten Tag haben wir also 1690 und so geht es rasend weiter, am nächsten Tag hat sich die Zahl schon gegenüber dem Anfang verdoppelt.


Bild 1: Meine Annahmen für den Eingriff in das Sozialverhalten.
Eins = keine Änderung, zwei = Halbierung der Kontakte
Es gibt in dieser Situation nur zwei Wege, wie die Ausbreitung langsamer werden kann: Entweder es gibt keine Menschen mehr, die noch angesteckt werden können, dann ist die sogenannte Herdenimmunität erreicht oder man unterbindet die Ansteckung durch Beschränkung der sozialen Kontakte. Noch schöner wäre ein Impfstoff, aber den haben wir nicht. 

Die Reduktion der sozialen Kontakte (Bild 1) wird ab 5. März im Modell eingerechnet und man sieht, in Bild 2, wie die rote Linie der Neuinfektionsrate rasch zurückgeht. Dabei nehme ich an, dass die Maßnahmen bis Ende März alle wirksam wurden und bis Ende Mai alle eingehalten werden.

Um zu erkennen, welche Wirkung die Einschränkungen der Kontakte haben, genügt es nicht einfach die Zahl der Infizierten zu zählen, selbst die Zahl der Neuinfizierten gibt uns nicht direkt Auskunft, man muss wissen wie sich das Wachstum in Prozent verändert. Das nennt der Mathematiker die 2. Ableitung. 

Bild 2: Kurvenverlauf der bekannten Infektionsfälle (rote Punkte), Prognose (blaue Linie)
täglicher Zuwachs (rote Linie), wir sind immer noch am Anfang.
Selbst bei nahezu perfekter Isolation wird es immer noch neue Fälle geben, wie kommen wir da zu einem Rückgang? Das ist möglich, weil Menschen nach einiger Zeit wieder gesund werden und zum Glück danach auch immun gegen die Krankheit sind. Obwohl die genauen Zahlen nicht bekannt sind, nehmen wir vereinfacht an, dass 10% pro Tag gesund werden. Dann ist der Wendepunkt erreicht, wenn weniger als 10% neue Erkrankungen pro Tag hinzukommen. Dieser erste Wendepunkt wurde Ende März erreicht. Allerdings wächst die Zahl der Infizierten noch weiter an, vermutlich bis 25. Mai, um dann rasch zurückzugehen.

In der Analyse sieht man dies als blaue Kurve, die optisch einer Glockenkurve ähnelt, auch wenn ein anderer mathematischer Zusammenhang dahinter liegt. Hinweis, ich habe diesmal die Skala linear gewählt, damit die Kurvenform leichter zu erkennen ist.

Wo steht Deutschland?

In Deutschland wurden relativ früh viele Tests durchgeführt und viele Einschränkungen umgesetzt. Daher sind die Krankenhäuser noch nicht am Limit und können alle Patienten gut versorgen. 
Dafür muss man auch allen Mitarbeitern in den Krankenhäusern sehr dankbar sein!

In der Statistik zeigt sich das, wenn man die Infektionsfälle in den Ländern mit den Todesfällen vergleicht (jeweils auf eine Million Einwohner bezogen).

Deutschland hat bemerkenswert wenig Todesfälle aufgrund des Coronavirus. (Datenquelle: Worldometers)
Hinweis: in der ursprünglichen Kurve war Portugal falsch eingetragen.

Die Größe der Blasen gibt an, wie viele Tests durchgeführt wurden, Länder, die viel testen haben natürlich eine geringere Dunkelziffer. Aber Italien hat auch viel getestet. Die USA liegen ähnlich niedrig wie Deutschland, es ist also aktuell nicht sinnvoll, dorthin mit dem Finger zu zeigen, das Land ist eben viel größer und daher sind die absoluten Zahlen auch erschreckender.

Wie hoch ist die Mortalität?

Die Mortalität und die Zeit zwischen Corona Diagnose und Tod kann man mit den vorhandenen Statistiken abschätzen.
Dafür habe ich die Änderung der Neudiagnosen und die Änderung der Sterbefälle in eine Grafik eingetragen. Geht man davon aus, dass ein prozentualer Rückgang der Neudiagnosen nach einiger Zeit einen gleichen Rückgang der prozentualen Zunahme der Todesfälle bewirkt, findet man die restlichen Tage, die ein Diagnostizierter hat, bis er verstirbt. 

Auswertung des Rückgangs der Infektionen und der Todesfälle
Nimmt man für die Überlebensdauer 13 Tage an und verschiebt die Kurve entsprechend dann liegen die beiden Kurven fast übereinander. Jetzt kann man in die Datensätze gehen und nachsehen, wie viel Menschen vor 13 Tagen infiziert waren und erhält die Letalität (Fatality Rate) der Krankheit. Bei meinen Rechnungen erhalte ich für eine Person, die Corona positiv diagnostiziert wurde, eine Sterblichkeit von 3,7%.
Allerdings hat diese Betrachtung die Dunkelziffer nicht berücksichtigen, da ich diese normalerweise mit 3,1 annehme, kann man eine Letalität von 1,2% abschätzen, was auch im Bereich anderen Quellen liegt.

Mittelfristige Entwicklung

Wenn der Verlauf so weitergeht, können wir die Corona-Pandemie in Deutschland unter Kontrolle halten.
Unter den oben beschriebenen Annahmen erhält man folgenden Verlauf, hier wieder in der logarithmischen Darstellung:

Fortschreibung der Entwicklung, wenn die Menschen im Herbst wieder sorglos werden,
kann es im Winter eine 2. Welle geben
Die Prognose der Entwicklung ist natürlich hochspekulativ, da wir weder wissen, wie sich die Menschen nach mehreren Monaten "Shut Down" verhalten, noch wie unsere Politik die weitere Entwicklung begleitet.

Quellen

  • Sehr gute Informationen findet man bei der University of Oxford
  • Weitere Informationen und Quellen in den andern Blogbeiträgen:

Keine Kommentare: