Sonntag, Oktober 30, 2016

Das Ende der Bahn

Hat die Bahn eine Zukunft?

In meiner Jugend bin ich sehr viel Bahn gefahren und dies aus zwei Gründen, zum einen hatte ich kein Auto, zum anderen fand ich die Bahn eine ökologisch sehr günstiges Verkehrsmittel. Noch immer besitze ich eine Bahncard First für gelegentliche Zugreisen.
Heute fahre ich relativ viel mit dem Auto, mit meinen elektrisch angetriebenen Tesla, und bei großen Strecken nehme ich das Flugzeug, doch ist das wirklich eine vertretbare Art zu reisen? In diesen Blog will ich mal auf die Zukunft der Bahn eingehen

Vorteile der Bahn

Die Bahn hat einen sehr großen Vorteil bei Reisen, das Mitfahren im Zug ist einfach im Vergleich zum Flugzeug. Man löst schlicht und einfach eine Fahrkarte, heute kann man dies normalerweise von zu Hause aus, und steigt in den Zug, ohne Sicherheitskontrolle, und los geht die Reise. Im Zug sitzt man bequem, muss sich nicht um den Verkehr kümmern und kann gegebenenfalls den Laptop aufklappen und sogar arbeiten. Je nach Ziel  ist man einige Stunden später angekommen steigt aus und kann seinen Geschäften nachgehen.
Weltkulturerbe Rhätische Bahn, die wird bleiben!

Die Praxis

Soweit die Theorie leider sieht die Praxis deutlich anders aus. Wer nicht direkt am Bahnhof wohnt muss diesen erstmal erreichen.
Da am Bahnhof die Züge nicht kontinuierlich abfahren, sondern für das jeweilige Reiseziel zu einer festen Zeit, typischerweise jede Stunde, muss man exakt rechtzeitig am Bahnhof ankommen. Schon eine Minute zu spät und man wartet eine weitere Stunde. Diese Nichtlinearität führt zu sehr unangenehmer Hektik und gegebenenfalls zu einer selbst verursachten Verspätung.
Nicht selten wartet man im schlechten Wetter auf den Zug.


Sitzt man im Zug und will arbeiten, ist es leider nicht ganz so bequem wie gedacht, denn das wichtigste was man am Laptop benötigt ist das Internet. Erstaunlicherweise ist es der Bahn bis heute nicht gelungen auf ihrem überschaubaren Streckennetz eine stabile, schnelle Internetverbindung herzustellen. Ich erinnere mich an einen Flug nach Abu Dhabi, im Flugzeug zahlte ich 1 € und hatte eine perfekte Internetverbindung! Wenn dies technisch möglich ist müsste das doch auch in einem dicht besiedelten Gebiet, wie in Deutschland, möglich sein. Ohne Internetverbindung kann ich praktisch nicht arbeiten und auch mit sporadischer Internetverbindung ist mir nicht wirklich geholfen.

Das nächste Problem ist die geplante Ankunft. Fährt man nur eine einzige Strecke mit einem Zug ist die Chance relativ gut dass man das Ziel rechtzeitig erreicht. Allerdings, sobald man auf der Strecke mehrmals umsteigen muss, sinkt die Wahrscheinlichkeit leider dramatisch. Dies liegt wieder an der Nichtlinearität, das bedeutet, hat mein Zug 10 Minuten Verspätung werde ich den Anschlusszug nicht erreichen habe damit eine Stunde Verspätung und der gesamte Tagesplan wird ein Desaster.
Bahnstation in Paris

Menschen die trotzdem geduldig mit der Bahn und dem Intercitys unterwegs sind sagen sich, dies ist eben eine ökologisch günstigere Variante der Fortbewegung. Mit elektrischem Strom, zumeist aus Wasserkraft oder Solarenergie, kann ich die Umwelt schützen. Der Verbrauch pro 100 km liegt im Durchschnitt bei 4-5 Litern Benzin (genaugenommen der vergleichbaren Energiemenge) wenn ich Intercity fahre [1].

Neue Infrastruktur 

Um die Probleme von Verspätungen oder ähnlichem zu lösen versucht die Bahn mit massiven Investitionen in die Infrastruktur die Lage zu verbessern ein Beispiel ist der neue Stuttgarter Bahnhof der leider zehn Milliarden Euro kosten wird. Damit wird vielleicht die Durchfahrt durch Stuttgart etwas schneller für Leute die Stuttgart nicht als Reiseziel haben. Allerdings rechnen sich solche Investitionen bei der Bahn, ob es sich um Tunnel, Neubaustrecken oder Tief-Bahnhöfe handelt, erst nach circa 80 Jahren (Abschreibungszeitraum). Wir  müssen also daran glauben, dass die Bahn bis zum Ende dieses Jahrhunderts noch fährt doch ist das wirklich realistisch?
Komplexe Infrastruktur der Bahn

Das autonome Elektroauto

Ökologische Vorteile

Eine neue Alternative zur Bahn wird das vollautomatische Elektroautos sein, dieses fährt vom Haus zu Haus und nutzt dabei elektrischen Strom als Antrieb, der, ebenfalls wie der Bahn Strom, aus ökologisch günstigen Quellen hergestellt werden kann.
Bereits heute benötige ich für meinen Tesla nur 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer, das entspricht etwa der Energie von 2 Litern Diesel und selbst bei Berücksichtigung von Wirkungsgraden im Kraftwerk nur vier Litern Brennstoff (bei Ökostrom nahezu CO2 frei).
Das autonome Solarauto?

Nimmt man noch hinzu, dass Autos in Zukunft vielleicht besser ausgelastet werden, dank verschiedener vollelektronischer Mitfahrzentralen, ich selber nutze gerne BlaBlaCar, so steigt die Personenzahl von heute 1,5 vielleicht auf zwei oder sogar drei. Damit würde eine Person die reist nur einen Liter Treibstoff (oder 7kWh Strom) pro 100km benötigen.
Da das Elektroauto, vergleichbar dem Zug, völlig emissionsfrei auf der Reise fährt, werden auch die Innenstädte oder Straßenanwohner eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erleben, da Abgase und Lärm deutlich  bei elektrischen Fahrzeugen vermindert sind.

Reisezeit 

Die optimale elektronische Navigation führt bereits heute zu einem sehr viel zuverlässigerem Ankommen mit dem Auto als mit der Bahn, so ist zumindest meine Erfahrung bei den letzten 30 000 km mit dem Auto, die nie zu einer Verspätung im Bereich von Stunden geführt haben.

Die faktische Reisezeit mit dem Auto ist zudem erheblich kürzer. Dies liegt zuerst am Abfahrtszeitpunkt, den ich mit dem Auto beliebig wählen kann. Bei der Bahn aber im günstigsten Fall an einen Stundentakt gebunden bin. 
ICE im Stundentakt, das bedeutet Abfahrtszeit nie optimal.

Das bedeutet ich fahre mit der Bahn im Durchschnitt 30 Minuten früher weg als ich eigentlich müsste, das gleiche gilt natürlich nochmals am Ziel, dort komme ich im Durchschnitt eine halbe Stunde früher an wie es sein müsste, mithin verlängert sich jede Reise bei der ich die Bahn benutze um mindestens eine Stunde, wenn man von gleicher Fahrtgeschwindigkeit ausgeht. Erst bei Zielen, die über 500 km entfernt liegen, kann, durch die hohe Geschwindigkeit des ICE, etwas Zeit gewonnen werden. Doch dann ist es meistens sogar bequemer das Flugzeug zu wählen, da dort die Reisegeschwindigkeit drastisch gegenüber den Zug sinkt.

Bleibt noch der Vorteil dass man im Zug entspannt fährt und gegebenenfalls arbeiten kann. Dies  ist natürlich auch in einem Auto möglich, das vollautomatisch fährt, dort kann ich ebenfalls meiner Arbeit nachgehen. Interessanterweise habe ich beobachtet, dass im Auto die Internetverbindung beziehungsweise Telefonverbindung erheblich besser ist als bei Zugreisen.

Reisekosten

Bleiben noch die Kosten. Die Fahrt mit dem Auto ist normalerweise etwa gleich teuer wie die Fahrt mit dem Zug. Über die komplexe Struktur von Bahn-Preisen will ich hier nicht berichten, jedoch wird ein Auto in Zukunft, das mehrere Passagiere mitnehmen kann, vollautomatisch fährt und elektrische Energie nutzt, typischerweise wenige Kosten pro Passagier haben als heute. Ich gehe von einem Faktor von 3 oder höher aus. 
Damit wird die Autoreise aber deutlich billiger als die Bahnreise ohne dass es einen nennenswerten Komfortverlust gibt. 

Das Ende der Bahn dämmert

Die logische Konsequenz aus diesen Überlegungen ist natürlich, dass der Bahnbetrieb wesentlich weniger Passagiere hat, mit der Folge, dass entweder die Zahl der Züge ausgedünnt wird mit einer Kettenreaktion in Richtung weniger Züge, weniger Passagiere, ungünstigere Verbindungen und letztendlich der komplexe Bahnbetrieb sich nicht mehr lohnt.
Das letzte Abstellgleis

Alternativ kann der Staat natürlich eine Weile die Bahn (noch stärker) subventionieren, doch ohne sinnvolles Motiv für diese Subventionen, also ökologische oder volkswirtschaftliche Art, wird sich das politisch nicht durchsetzen lassen, womit das Ende der Bahn besiegelt ist. 

Wie lange wird es noch dauern bis der letzte Zug ausfährt?

Diese Frage kann man natürlich nicht mit einer simplen Jahreszahl beantworten und muss es auch etwas differenzieren.

In Großstädten werden weiterhin Massentransportmittel wie die U-Bahn eine Rolle spielen, da diese unübertroffen effizient in dicht besiedelten Gebieten die Menschen an ihre Ziele bringt. 

U-Bahn Tunnel
Auf Fernstrecken und in ländlichen Regionen erscheint es mir aber kaum möglich einen Bahnverkehr für Passagiere aufrechtzuerhalten. 

Ein anderes Thema ist der Güterverkehr. Hier könnte durch eine Automatisierung der LKW sogar eine erhebliche Renaissance auf der Schiene stattfinden, wenn das Umladen von Containern zwischen Bahn und Strasse vollautomatisch erfolgt.
Amerikanischer Güterwagen


Für den Luftverkehr auf mittleren Strecken könnte sich eine neue Form, etwa der von Elon Musk geförderte Hochgeschwindigkeitszug Hyperloop (Geschwindigkeiten bis 1000 km/h) als brauchbare Lösung für den Personenverkehr darstellen. 
Wir werden also im nächsten Jahrzehnt erleben, wie es zu einen rapiden Verfall der Bahn Struktur kommt und so ist es heute aus meiner Sicht verantwortungslos, immense Investitionssummen in die Infrastruktur der Bahn zu stecken, etwa Tief-Bahnhöfe, Neubaustrecken oder Ähnliches, da keineswegs sicher ist, dass sich dieser Aufwand jemals lohnen wird. Besser wäre es kurzfristig Bahn und Bus etwas bequemer und effizienter auszustatten bis die Ablösung dieses, über 180 Jahre alten Verkehrsmittels, erfolgt.
Museumsbahnen wird es noch lange geben.

Quellen

[1] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.10.2007, Nr. 41 / Seite 69, berücksichtigt werden Auslastung, Streckenlänge und Anreise zum Bahnhof.