Donnerstag, Oktober 07, 2021

Bitcoin und Ethik

Bitcoin und Ethik

 Prof. Dr. Eduard Heindl  

Seit der letzten großen Finanzkrise 2008 geistert eine neue Währung namens Bitcoin durch das Internet. Der ursprünglichen Idee von Satoshi Nakamoto[1]  liegen einige bemerkenswerte Gedanken zugrunde. Eine digitale Währung sollte so sicher und anonym wie Bargeld sein, die Erzeugung der Münzen und der Umlauf sollte auf verteilten Rechnern geschehen und die Regierungen sollten damit keine Inflation erzeugen können.

Auf den ersten Blick eine bestechende Idee, insbesondere wenn man die Nebenwirkungen nicht bedenkt oder wie der Wilhelm Busch Leser sagt, wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe.

In diesem Post möchte ich der Frage nachgehen, ist Bitcoin eine ethisch vertretbare Informationstechnologie oder sollten wir vor den Gefahren warnen, die davon ausgehen.

Eine genaue Erläuterung der Technologie will ich hier nicht geben, aber an den einzelnen Stellen auf Besonderheiten hinweisen, mehr über die Bitcoin-Technik findet sich im Internet, etwa Richard Bradley, “Blockchain … erklärt in weniger als 100 Wörtern”[2].

Ein erstes Problem ist die dezentrale Erzeugung der Bitcoins. Jeder, der einen Computer besitzt, kann im Prinzip Bitcoins erzeugen, allerdings ist die Berechnung derart aufwendig, dass man vermutlich tausend Jahre vor dem Rechner sitzt, bevor die erste Münze klingelt. Ich bleibe bewusst vage, da ganz am Anfang das Erzeugen von Coins wenig Rechenleistung erforderte, wodurch ein Coin auch nicht sonderlich viel wert war, eher so viel wie eine normale Münze, ein Euro etwa.

Energieaufwand

In dem Algorithmus zur Erzeugung von Bitcoins ist auf kluge mathematische Weise ein unendliches Ansteigen des Rechenaufwands eingebaut, sodass die Zahl der möglichen Bitcoins auf etwa 21 Millionen limitiert ist. Das bedeutet mit anderen Worten, die Erzeugung einer neuen Münze erfordert immer mehr Rechenleistung. Große Rechenleistung erfordert große Rechenzentren, große Rechenzentren erfordern viele Spezialchips und sehr viel Energie. Aktuelle Schätzungen, gehen davon aus, dass im Jahr 2021 über 100 Terawattstunden (TWh)[3] für die Erzeugung von Bitcoins verbraucht werden. Das ist etwa ein Viertel des Strombedarfs von Deutschland. Oder in anderen Worten, eine spürbare Verschmutzung der Atmosphäre mit CO2. Sicherlich argumentieren manche, dass für Bitcoins nur Ökostrom zum Einsatz kommt, das ist aber leider nicht so, es kommt der billigste Strom, etwa Kohlestrom aus China oder auf Ölbasis erzeugter Strom aus dem Iran zum Einsatz. Wie groß auch immer der ökologische Fußabdruck ist, er ist groß und er wächst schnell[3].

Chipproduktion

Neben dem Strom benötigt die Bitcoinproduktion absurde Mengen extrem leistungsfähiger Computer-Chips. Aktuell können etwa 200 Exahash pro Sekunde berechnet werden. Um diese Zahl zu verstehen, Exa steht für eine Eins mit 18 Nullen. Ein optimierter Chip kann vielleicht eine Billion (12 Nullen) Hash-Berechnungen pro Sekunde durchführen, also sind für die aktuelle Leistung 200 Millionen Hochleistungsprozessoren nötig. Diese werden in normalen Chipfabriken hergestellt, weil es sich lohnt, allerdings mit der Folge, dass für andere Zwecke, etwa die Elektronik von Autos, kaum Chips zur Verfügung stehen. Aktuell können etwa 11 Millionen Autos nicht produziert werden, weil es einen Mangel an Chips gibt. Die tatsächlichen Zusammenhänge mögen komplizierter sein, jedoch ist die Umlenkung der Chipproduktion von “sinnvollen” auf “sinnfreie” Anwendungen zumindest fragwürdig.

Doch all diese Probleme sind vermutlich klein, gegenüber den wirtschaftlichen Folgen der Bitcoin-Anwendung.

Erpressungen

Das Problem der illegalen Zahlung mit Bitcoins sticht dabei hervor. Neben vielen bekannten kriminellen Märkten, etwa Drogen und Waffen, hat der Bitcoin eine völlig neue Form der Erpressung ermöglicht. Bisher war das Schreiben von Computerviren eher ein Hobby von Computerexperten oder von Geheimdiensten. Der Schaden war überschaubar oder sogar legitimiert. Doch jetzt komm eine völlig neue Qualität ins Spiel. Gelingt es einem Virusentwickler, einen Virus zu verteilen, der die Daten einer Firma verschlüsselt, dann ist die Firma im Digitalzeitalter praktisch handlungsunfähig. Das bedeutet, die Firma spürt, dass die Daten, die sie besessen hat, sehr wertvoll waren. Jetzt kann ein Erpresser eine hohe Summe verlangen, wenn er die Daten wieder herstellt, also entschlüsselt. Doch war bisher die Zahlung an einen Erpresser für den Erpresser sehr riskant und selbst derart gerissene Kriminelle, wie der unter dem Decknamen Dagobert operierende Erpresser, wurden letztendlich gefasst.

Da Bitcoins aber derart anonym sind wie Bargeld, das uns nichts über seine Herkunft sagt, kann der Erpresser seine Forderung in Form von Bitcoins stellen, die dann digital auf ein anonymes Konto transferiert werden.

Da dieses Geschäft für den Erpresser fast ungefährlich und äußerst lukrativ ist, werden vermutlich Milliardenumsätze in diesem Markt gemacht. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, da keine Firma gerne in der Presse ihren Namen im Zusammenhang mit Erpressung sehen will. Dem Autor sind aus persönlichen Quellen aber Umsätze in Millionenhöhe bekannt und der Autor kennt mit Sicherheit nur einen winzigen Bruchteil der Fälle.

Kettenbrief

Doch damit nicht genug, Bitcoin ist nichts anderes als der ultimative digitale Kettenbrief. Ein Kettenbrief beruht darauf, dass man mit einem kleinen Einsatz, den man an den Absender des Briefs zahlt, die Chance hat, dass man andere “Dumme” findet, die dem Absender Geld überweisen. Bei Bitcoin ist die Mechanik ähnlich, die ersten Bitcoins waren wenig wert, aber durch eine wundervolle Geschichte über das Bitcoin, das in Zukunft die Weltwährung werden soll, fanden sich Menschen, die die Bitcoins zu einem höheren Preis gekauft haben, und der Handel geht weiter, ähnlich wie bei den holländischen Tulpenzwiebeln 1637. Eine Zwiebel wurde für den Wert eines Hauses gehandelt. Doch am 7. Februar 1637 platzte die Blase, keiner war mehr bereit solch aberwitzigen Beträge für Tulpenzwiebeln zu zahlen.

Genau das wird mit Bitcoins, die nichts anderes sind, als eine längere Zahl in irgendeinem Computernetz sind, auch geschehen, da ihr Wert sogar noch kleiner als der einer Tulpenzwiebel ist.

Dann werden all jene, die am Ende der Käuferkette sind, das sind in diesem Spiel immer die Unbedarften, die das Spiel nicht durchschauen, mit anderen Worten, die “Dummen”, die Rechnung derjenigen gezahlt haben, die inzwischen mit ihren reichlichen Erlösen aus dem Bitcoinverkauf an Dumme, ihre Villen und Grundstücke genießen.

Wir reden hier nicht von kleinen Summen, aktuell sind alle Bitcoins, abhängig vom aktuellen Kurs, etwa 1000.000.000.000 € (Tausend Milliarden €) wert.

Fazit

All dies, die Energieverschwendung und CO₂ Belastung, der Chipmangel und damit die Störung der modernen Industrie sowie die Wirkung als Enabler einer neuen kriminellen Branche und nicht zuletzt die Umverteilung von Geld von Unten (Dumme) nach Oben (Frühe Bitcoin Nutzer) ist für mich zutiefst unmoralisch. Das bedeutet, jeder sollte die Finger von dieser Form der Nutzung von Informationstechnik lassen. Ob der Staat eingreifen soll und kann, ist wesentlich schwieriger einzuschätzen, da nicht klar ist, wie das genau erfolgen sollte.

Zum Weiterlesen:

Blogchain und Bitcoin

Quellen:

[1] https://bitcoin.org/bitcoin.pdf

[2] https://www2.deloitte.com/ch/de/pages/strategy-operations/articles/blockchain-explained.html

[3] https://cbeci.org/ 

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